Brandschutz in Hochhäusern - Feuerwehr fürchtet um Sicherheit
Erstellt von ABI d.V. Michael Jost am 19.11.2007
ÖVP, KPÖ und Grüne wollen gemeinsam den Antrag an den Steirischen Landtag zur Abschaffung des Hochhaus-Paragrafen 103 des Steiermärkischen Baugesetzes beschließen.
Damit setzt man nicht nur die Sicherheit tausender Hochhausbewohner im Brandfall, sondern auch jene der Einsatzkräfte aufs Spiel.
Im Jahre 1976 trat nach einer Reihe katastrophaler weltweiter Brandereignisse mit hunderten Toten in Hochhäusern in der Steiermark eine bahnbrechende Novellierung der Bauordnung in Bezug auf den Brandschutz in Hochhäusern in Kraft. Im § 59a wurden die wesentlichsten Kriterien zur brandschutztechnischen Nachrüstung von Hochhäusern festgelegt, wobei die Steiermark eine Vorreiterrolle übernahm.
Ausschlag gebend war dabei ein Gutachten, welches vom damaligen Oberbranddirektor von Frankfurt am Main, Prof. DI Ernst Achilles, über den Sicherheitsstandard der steirischen Hochhäuser erstellt wurde. Es zeigte sich, dass in diesen Bauwerken über 22 Meter Höhe die elementarsten Brandschutzvorkehrungen fehlten. Vor allem war die Fluchtwegsituation in fast allen Fällen für die Hochhausbewohner völlig unzureichend.

Tödlicher Brandrauch: Flucht ohne Atemschutz unmöglich.
Foto: BF Graz
In den 80er Jahren versuchte man bereits die brandschutztechnische Sanierung von Hochhäusern durchzuführen, man scheiterte damals aber am Mangel zielführender und wirtschaftlich vertretbarer Maßnahmen sowie bürokratischer Hürden.
Rauchfreier Fluchtweg
Nach dem Studium der Vorgehensweise in anderen Ländern auf diesem Gebiete, kam man auf das hessische Modell zur Nachrüstung von Hochhäusern. Schwerpunkt der Maßnahmen sind dabei die Trennung des in der Regel sehr brandgefährlichen Kellergeschosses vom Wohnbereich und die Schaffung von rauchfreien Fluchwegen im Brandfall.
Dabei wird über eine automatische Brandmeldeanlage im Erstfall ein Belüftungsaggregat angesteuert, welches durch Überdruck das Stiegenhaus rauchfrei hält.
Wichtig ist auch der Einbau von Feuerschutztüren in den einzelnen Wohneinheiten zum Stiegenhaus hin. Ergänzt wird dieses Konzept durch so genannte Nasssteigleitungen, wodurch Löschwasser im Brandfall in den einzelnen Stockwerken über einen Wandhydranten von den Hochhausbewohnern und den Feuerwehrkräften ohne größere Vorarbeiten entnommen werden kann.
Im Jahre 1995 kam es zu einer völligen Neugestaltung des Steiermärkischen Baugesetzes, wobei der frühere Hochhausparagraf nunmehr im § 103 Bestehende Hochhäuser übernommen wurde. Demnach kann die Baubehörde dem Eigentümer auftragen, dass bestehende, begonnene oder bewilligte bauliche Anlagen in einem Verhältnis zum Wert des Hochhauses zumutbaren Umfang und gegebenenfalls den durch Hochhäuser geltenden Bestimmungen des Baugesetzes angepasst werden.

Fassadenbrand: Rettungsweg durch Feuer abgeschnitten
Österreichweit beachtete Richtlinie
Im Jahre 1999 hat der Landesfeuerwehrverband Steiermark in diesem Zusammenhang mit allen kompetenten Dienststellen eine österreichweit beachtete Richtlinie erarbeitet, welche die Grundlage für eine einheitliche Vorschreibungspraxis in der gesamten Steiermark ermöglicht (siehe beigelegte CD). In mehreren Präzedenzfällen, in welchen Einsprüche bis in die höchsten Instanzen erfolgten, wurde die mögliche brandschutztechnische Sanierung von Hochhäusern ausjudiziert und allgemein als bester Weg zur Erreichung eines vertretbaren Brandschutzstandards in Hochbauten bestätigt.
Tatsächlich sind bis dato bereits von den rund 300 steirischen Hochhäusern 120 fachgerecht brandschutztechnisch nachgerüstete worden. Diese Sanierung ist im Großen und Ganzen ohne Probleme möglich gewesen. Bei einer zeitgerechten Ansparung von Mitteln für den Reparaturfond von Gebäuden und bei fachgerechter, gezielter Ausschreibung fallen für die notwendigen Aufrüstungsmaßnahmen durchwegs vertretbare Kosten an. Außerdem hat die Grazer Feuerpolizei ein absolut Kosten schonendes Finanzierungsmodell ausgearbeitet und ein eigens im Land Steiermark geschaffener Expertenrat einheitliche Richtlinien für die Ausschreibung von Brandschutznachrüstungen vorgelegt.

Hochhausbrand in Hongkong:
Die Drehleiter reicht nicht bis zum brennenden Stockwerk
Generalsanierung unter dem Titel „Brandschutzmaßnahmen“
Vor einigen Jahren trat eine Bürgerinitiative an die Öffentlichkeit, deren Ziel es war, diese Kosten von den Wohnungseigentümern abzuwenden.
Dabei wurde primär als Geldquelle der Wohnbauförderungsfond angepeilt und als hier nichts zu holen war, einfach die Forderung nach Abschaffung des § 103 BauG in den Raum gestellt.
Bei der Argumentation wurde mit Halbwahrheiten und unrichtigen Kostenberechnungen agiert. Auf jedem Fall sprangen die beiden Kleinparteien im Steirischen Landtag (KPÖ und Grüne) auf diese Argumentationsschiene, der sich nunmehr auch der Klubobmann der ÖVP, LAbg. Mag. Christopher Drexler, anschloss.
Eine Anmerkung zu den von der Bürgerinitiative immer als überhöht bezeichneten Sanierungskosten (deren haltlose Behauptungen zwischenzeitlich von ÖVP, KPÖ und Grünen kritiklos übernommen wurden): An der genannten Informationstagung des Landesfeuerwehrverbandes Steiermark am 30. August 2007 wurde eindeutig dargelegt, dass bei einer gezielten Ausschreibung und Planung der Sanierungsmaßnahmen nie die von der Bürgerinitiative (Sprecherin Ingrid Moretti) angesprochenen Darlehenskostern von 50 bis 140 Euro pro Monat erforderlich sind. Ein Fallbeispiel der Hochhäuser in der Grazer Kasernstraße, welches damals von einem Hochhaussprecher (Dipl.-Ing. Heribert Teuschel) präsentiert wurde, zeigte maximale Kosten für eine 100 m2-Wohnung von 25 Euro pro Monat. Dazu hat auch die Grazer Feuerpolizei noch verträglichere Finanzierungskonzepte erarbeitet, welche jedoch einfach nicht akzeptiert wurden, weil Gespräche mit der Feuerwehr nie zustande kamen.

Todessprung: Verzweiflungstat wegen fehlendem Fluchtweg
Jetzt (Ausgabe der Tageszeitungen KLEINE und KRONE vom 18.11.2007) werden sogar Gesamt-Nachrüstungskosten bis zu 20.000 Euro kolportiert. In Wahrheit liegen diese Kosten jedoch, je nach Wohnungsgröße, zwischen 4.000 und 8.000 Euro. Bei herkömmlicher Inanspruchnahme der Wohnbauförderung würde dies bei einer Laufzeit von zehn Jahren die von Dipl.-Ing. Teuschel festgestellten Kosten ergeben, bei den langfristigeren Modellen der Grazer Feuerpolizei würden nur mehr etwa 10 Euro für eine 100 m2-Wohnung bei einer Laufzeit des Kredites von über 20 Jahre anfallen. Hier wird also von der Bürgerinitiative mit falschen Zahlen operiert und der „Sicherheitsparagraf“ für Hochhäuser für politisches Kleingeld zu Grabe getragen!
Während die Bürgerinitiative, welche aus einer Handvoll von Personen besteht, bei diesen drei Parteien volles Gehör erhielt, wurde mit dem Steirischen Landesfeuerwehrverband, als Vertreter von rund 50.000 Mitgliedern, keinerlei Kontakt gesucht.
Auch nachdem der Landesfeuerwehrverband am 30. August 2007 an der Feuerwehr- und Zivilschutzschule Steiermark ein hochkarätiges Informationsseminar organisierte, an welchem Vertreter aller Landtagsfraktionen teilgenommen haben, änderte sich nichts an der Ausganglage.

Die Drehleiter reicht bis zum 7. Stock.
Foto: FF Mürzzuschlag
Die Feuerwehren hatten zwar klar bewiesen, dass die Forderung nach Abschaffung des § 103 BauG kontraproduktiv und gefährlich ist, doch Klubobmann Drexler wollte von alledem nichts hören. Dabei wurden die Feuerwehren von externen Fachleuten und Vertretern der zuständigen Landesdienststellen voll und ganz unterstützt.
So warnt der im Land für das Baugesetz zuständige Baujurist Dr. Paul Trippl davor, die vorgesehene Gesetzesänderung durchzuführen.
Zurück in die Steinzeit?
Es muss nochmals festgestellt werden, dass den Interessen der Hochhausbewohner nicht gedient ist, wenn der Brandschutz einfach abgeschafft wird. Denn im Ernstfall sind sie selbst die Gefährdeten, was auch für die eingesetzten Feuerwehrmitglieder gilt.
Auch die Änderung bzw. Schaffung eines Zusatzparagrafen im Steirischen Feuerpolizeigesetz, wie es in der vorliegenden Form angestrebt wird, ist absolut unprofessionell und untauglich für die Realisierung eines Mindestbrandschutzstandards in Hochhäusern.
Der Landesfeuerwehrverband Steiermark protestiert daher gegen die geplante Gesetzesänderung und warnt eindringlich vor einer Preisgabe elementarer Sicherheitsnormen.
Das ständig strapazierte Argument, in den anderen Bundesländern würde es ähnliche Paragrafen nicht gegeben, kann kein Grund sein, in der Steiermark wieder in die „Steinzeit des Brandschutzes“ zurückzukehren.